Das geschriebene Wort
Im Fall einer Auslandsunterbringung eines Jugendlichen geht oftmals eine akute Krise im jeweiligen sozialen System (Familie, Wohngruppe, Schule etc.) voraus. In der Regel liegt dieser Krise eine gestörte Kommunikation zugrunde. Das bedeutet, es kam häufig zu Missverständnissen, es entstand das Gefühl, dass negative Absichten unterstellt wurden, gegenseitige Erwartungen konnten nicht ausreichend erfüllt werden. Da das gesprochene Wort das am häufigsten benutzte Mittel der Kommunikation im jeweiligen System war, ist dieser Kommunikationsweg häufig "überlastet" und damit negativ besetzt. So prägt die Erwartungshaltung, wie z. B. "Der meckert ja doch immer nur" schon im Vorhinein den Verlauf des Gespräches.
Der Einfluss, der von Deutschland aus auf den Betreuungsprozess und auf das Erreichen der Erziehungsziele genommen werden kann, ist nicht zu unterschätzen. Entsprechend gilt es hier sehr sorgfältig vorzugehen, um den Prozess positiv zu gestalten.
Gemäß dem systemischen Ansatz "Wenn etwas nicht klappt, probiere etwas anderes" fördern wir im
hohen Maße das geschriebene Wort, den Brief. "Ich habe Post bekommen!" mit diesem Ausruf kommen immer freudige Gesichter vom täglichen Gang zum Briefkasten zurück. Ein Brief ist wahrlich ein echtes Tageshighlight.
Selten haben sich Eltern bisher durch einen Brief an ihre Kinder gewandt. Um einen Brief zu schreiben, benötigt man Ruhe und Zeit. Worte und Formulierungen werden überlegter und reflektierter und Wichtiges wird vom Unwichtigen getrennt. Mit Briefen lassen sich Gefühle, Wünsche, Erwartungen und vieles mehr vermitteln. Durch einen Brief erfährt der Empfänger auch eine viel größere Wertschätzung und Aufmerksamkeit, als durch ein "mal eben" geführtes Telefonat. Ein Telefonat ist ein flüchtiger Moment, ein Brief etwas Dauerhaftes. Man kann ihn mehrmals lesen und mit Bedacht darauf antworten sowie diese aufheben und sammeln. Briefe sind ein fester Bestandteil der Betreuungsarbeit. Wir messen diesen bei der Erreichung der Erziehungsziele großes Gewicht bei, denn Briefe können viel Einfluss nehmen und sollten daher auch nicht missbraucht werden.
So halten wir einen regelmäßigen Briefkontakt und die zu Beginn festgelegten Skype-Termine für eine sinnvolle Verbindung. Sollten Sie zwischendurch Anrufe von Ihren Kindern erhalten, überlegen Sie bitte, ob dies in dem Moment wirklich gut und sinnvoll ist, da sich der Jugendliche auf das Jetzt und Hier im Projekt konzentriert und Ablenkungen aus der Heimat oftmals Gefühle wie Heimweh und Sehnsucht auslösen. Nach den Telefonaten stehen Ihnen die Betreuer und auch die Projektleitung für offene Fragen gerne zur Verfügung.
